Dies ist eine Leseprobe aus dem Roman »Winterregen« von Robin, den du in voller Länge im Story-Bereich auf der Seite www.kapuze-aufsetzen.net lesen kannst.

»Wie wär’s, wenn du dich alleine draußen umsiehst? Setz deine Kapuze auf und lass dich ’ne Weile nass regnen.« Seine ernste Miene war schon wieder einem Schmunzeln gewichen.

Ich ließ mir das nicht zweimal sagen und willigte sofort ein.

»Hier, nimm den Schlüssel mit und komm einfach rein, wenn du genug hast oder total durchgeweicht bist.«

»So doll regnet’s jetzt auch wieder nicht«, erwiderte ich und verdrehte dabei die Augen.

Während Kevin die Treppe in den ersten Stock hinaufging, schlüpfte ich wieder in meine Jacke und verließ das Haus. Noch bevor ich hinaus in den Regen trat, hatte ich auch schon die Sweatshirtkapuze über den Kopf gestreift. Am liebsten hätte ich jetzt auch noch den Reißverschluss hinten am Kragen meiner Jacke geöffnet, die dünne Nylonkapuze herausgeholt, über die Sweatkapuze gezogen und anschließend beide Kapuzen fest zugebunden. Ich fand aber sofort mehrere Gründe, dies nicht zu tun. Zum einen war der Regen nicht wirklich stark. Außerdem wäre ich mir so ausstaffiert trotz der damit verbundenen Erregung ziemlich blöd vorgekommen. In Kevins Wohngegend war es zwar ziemlich ruhig und es kannte mich hier auch niemand. Trotzdem wäre es mir peinlich gewesen, in solch einem Outfit jemandem zu begegnen. Es war mir noch nicht mal Recht, wenn Kevin mich aus einem der Fenster so sehen würde. Schließlich beließ ich es dabei, die Kordel der Sweatshirtkapuze etwas enger zu ziehen, so dass auch meine Stirn vor den Regentropfen geschützt war, und begann meine Erkundungstour damit, dass ich mir Kevins Haus von der Einfahrt aus nochmals genau ansah.

Das zweistöckige Haus setzte sich aus mehreren Quadern zusammen. Dabei bildete ein großer Quader die Grundform. Zwei längliche Quader mit Glasfronten an den Enden, die ein Stück über die Mauern unter ihnen ragten, waren links außen und in der Mitte in die Grundform eingelassen und schienen quasi mit dem Obergeschoss des Gebäudes verschmolzen zu sein. Ein ähnlicher Quader ragte auf der rechten Seite im Erdgeschoss hervor. Am Rest des Gebäudes zierten große Fenster die weiße Fassade. Bei der ein paar Meter entfernt stehenden Doppelgarage setzte sich das Verwirrspiel aus Ecken und Kanten fort, wobei man hier jedoch auf große Glasflächen verzichtet hatte.

Ich machte mich auf den Weg um das Haus herum. Da das Gebäude an einem Hang erbaut worden war, führten mich zunächst ein paar Treppenstufen nach unten. Dann erstreckte sich vor mir eine große Rasenfläche, die an beiden Seiten von Büschen und Bäumen flankiert wurde. Nach vorne hin hatte man einen guten Ausblick über die ganze Stadt. Als ich mich zum Haus umwandte, entdeckte ich durch die Glasfront im Untergeschoss einen Swimmingpool. Von dem hatte mir Kevin schon erzählt und mich am Morgen extra noch einmal daran erinnert, eine Badehose mitzubringen. Als ich alles ausgiebig betrachtet hatte, machte ich mich wieder auf den Rückweg zur anderen Hausseite. Der Regen war mittlerweile schon wieder schwächer geworden. Als ich über den Baumwollstoff meiner Kapuze strich, fühlte sich dieser zwar feucht an, er war aber noch lange nicht durchgeweicht. Ich entschied mich daher, noch ein wenig länger im Freien zu bleiben und verließ das Grundstück durch ein schmales Seitentor, das ich problemlos mit einem von Kevins Schlüsseln öffnen konnte. Die Straße vor dem Grundstück wirkte wie ausgestorben. Nirgends war ein Mensch zu sehen. Ich lief ein Stück den Gehsteig entlang und begutachtete die anderen Grundstücke. Die Wohngegend war zweifellos den wohlhabenderen Einwohnern der Stadt vorbehalten. Trotzdem konnte es keines der übrigen Häuser architektonisch mit dem der Winters aufnehmen.

Als ich wieder am großen Tor vor der Einfahrt ankam, steckte ich den mit ‚Tor’ beschrifteten Schlüssel in das in eine Säule eingelassene Schloss und ließ die breite metallene Pforte aufschwingen, genau wie Kevin dies vorhin getan hatte. Ich war mir nicht sicher, ob es nach einer Weile von alleine wieder zugehen würde, deswegen blieb ich wartend auf dem Grundstück stehen. Nichts passierte. Ich lief zurück zur Säule, um es nochmals mit dem Schlüssel zu versuchen. Der Anblick eines Radfahrers ließ mich innehalten. In all der Zeit, die ich hier draußen verbracht hatte, war dies der erste Mensch, der mir begegnete. Da ich erkennen konnte, dass die Gestalt als Schutz vor dem immer noch leicht herabplätschernden Regen eine Kapuze aufgesetzt hatte, wartete ich, bis sie näher kam. Der Radler war eindeutig männlich. Als er noch etwa 50 Meter entfernt war, erkannte ich im Schatten unter der Kapuze ein noch relativ junges Gesicht. Er musste ungefähr in meinem Alter sein. Auch wenn die Jacke, die er da anhatte, nicht unbedingt meinem Geschmack entsprach und außerdem eine feste Kapuze aufwies, die man aufsetzen konnte, ohne damit uncool zu wirken, konnte ich nicht umhin, den Anblick in meinem Gehirn abzuspeichern. Um ihm nicht das Gefühl zu geben, von mir angestarrt zu werden, wandte ich mich rechtzeitig bevor er an mir vorbeifuhr wieder der Säule zu. Entgegen meinen Erwartungen fuhr der Junge aber nicht auf der Straße weiter, sondern bog dicht hinter meinem Rücken durch das noch immer geöffnete Tor in die Einfahrt ein. Er trat in dem Moment kräftig auf die Bremse, als das Hinterrad die Grundstücksgrenze überrollt hatte und blieb knapp zwei Meter vor mir stehen.

»Hi!«, rief er mir zu. »Man kann das Tor auch vom Haus aus schließen.«

»Oh, das wusste ich nicht«, erwiderte ich lahm, zu erstaunt und überrumpelt, um seine Begrüßung zu erwidern.

»Du bist sicher David, oder?«

»Ja, der bin ich.« Jetzt war ich noch verwirrter. Woher kannte der Typ meinen Namen? Ich sah ihn mir genauer an. Er wirkte eher blass und hatte Sommersprossen im Gesicht, wenn auch nicht übermäßig viele. Unter der Kapuze lugten ein paar rote Locken hervor. Insgesamt war er nicht unattraktiv. Nur die schwarze Winterjacke aus Baumwollstoff mit der angeschnittenen Kapuze fand ich eher langweilig. Trotzdem musste ich mir eingestehen, dass der Anblick mir gefiel. Wie gut, dass ich selbst darauf verzichtet hatte, mich in zwei Kapuzen einzupacken. Vor ihm in solch einem Outfit dazustehen, wäre mir unendlich peinlich gewesen.

Mittlerweile war er von seinem Mountainbike abgestiegen und streckte mir seine rechte Hand entgegen, während er mit der linken weiter sein Rad festhielt.

»Hallo«, begrüßte er mich nochmals. »Ich bin Enrico Heymann. Kevin hat dir sicher schon was über mich erzählt.«

Ich schüttelte seine Hand und sagte ebenfalls Hallo. Ich erinnerte mich, dass ich in der vergangenen Woche seinen Anruf entgegen genommen hatte und fragte: »Dann warst du das also vor ein paar Tagen am Telefon?« »Wo ist Kevin denn?«, wollte er sofort wissen, nachdem er bejahend genickt hatte.

»Der wollte rauf in sein Zimmer, eine Weile für sich allein sein. Sich hier wieder eingewöhnen oder so. Ich bin alleine noch mal raus, um mal ein bisschen die Gegend zu erkunden und mir das Haus noch mal von außen anzusehen.«

»Sieht schon stark aus, oder?«

»Ja«, musste ich zugeben. »In so ’nem Haus wohnt nicht jeder.«

»Wolltest du gerade wieder reingehen?«

»Ja. Ich hab von Kevin den Schlüssel«, erwiderte ich und hielt den Schlüsselbund hoch.

»Ich stell noch schnell mein Fahrrad da unter.« Er deutete auf eine überdachte Fläche neben der Garage.

Ich wartete, bis er wieder zurück war und ging dann neben ihm zurück zum Haus. Als er sich im Eingangsbereich die Kapuze vom Kopf schob, kam ein roter Lockenkopf zum Vorschein. Ich erinnerte mich, dass ich ihn mir nach unserem kurzen Telefonat wegen seines Namens unwillkürlich als schwarzhaarigen, braungebrannten Südländer vorgestellt hatte. Vielleicht war ich deswegen nicht von selbst auf die Idee gekommen, dass es sich bei dem Jungen, der da auf das Grundstück der Winters eingebogen war, um Kevins Kumpel Enrico handelte.

Ich schloss die Tür auf und wir traten ein. Enrico zeigte mir sogleich den Knopf, mit dem man das Tor schließen konnte. Während ich in der geöffneten Haustür stehen blieb und zusah, wie es langsam zuschwang, hatte Enrico schon seine Jacke ausgezogen. Ich tat es ihm gleich und streifte auch endlich die Kapuze vom Kopf.


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