Winterregen von Robin (alter Titel: Weirdos)

 

Kapitel 16 - Licht und Finsternis

Während sich Kevin, Thomas und die drei Mädchen mit den verbliebenen Mitgliedern der anderen Gruppe im Raum vor der Dachterrasse einen netten Abend machten, lag ich im Zimmer auf meinem Bett und dachte an Daniel. Die Gewissheit, ihn nie wieder zu sehen, machte mich völlig fertig. Wie konnte es sein, dass dieser Junge mich einfach nicht mehr losließ, obwohl ich ihn doch nur ein paar Mal gesehen hatte? Ich schaffte es nicht, ihn aus meinen Gedanken zu verbannen. Also versuchte ich, lieber an gar nichts zu denken, und starrte stattdessen konzentriert die Decke an. Die Struktur der Raufasertapete verschwamm immer wieder vor meinen Augen, nur um jeweils ein paar Momente später wieder so klar und deutlich sichtbar zu werden, dass ich auch noch den kleinsten Mückenschiss erkennen konnte. Wie schafften es diese Viecher eigentlich, ihre Exkremente ganz im Widerspruch zu den Gesetzen der Schwerkraft an der Decke abzuladen? Oder waren diese kleinen Pünktchen etwas ganz anderes?

Je länger sich die Erhebungen und Vertiefungen der Zimmerdecke in meine Netzhaut einbrannten, desto häufiger machten sich meine Augen einen Spaß daraus, mir Dinge vorzugaukeln, die überhaupt nicht da waren. Eine Zeitlang schienen dunkle Flecken über das Weiß der Tapete zu tanzen. Ich versuchte zuerst, sie zu zählen. Als dies misslang, fand ich es interessanter herauszufinden, ob sie nun Walzer oder Tango tanzten. Doch da waren sie dann auf einmal wieder verschwunden. Stattdessen schien nun Schnee von der Decke herab zu rieseln.

Um endlich Ruhe vor diesen optischen Täuschungen zu haben, richtete ich mich kurz auf, schlug mit der Faust gegen den Lichtschalter und ließ mich dann wieder auf den Rücken fallen. Bevor ich noch anfing, Würmer über die Tapete kriechen zu sehen, verbrachte ich den Rest des Abends lieber im Dunkeln.

Zuerst schien die Finsternis tatsächlich die ersehnte Ruhe zu bringen, doch meine Augen gewöhnten sich schnell an sie. Bald konnte ich wieder die Konturen der Einrichtungsgegenstände erkennen. Der zugezogene Vorhang hielt das Licht der Nacht, das von außen einzudringen versuchte, eben nicht vollständig ab. Also setzte ich mich aufrecht auf mein Bett, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, und versuchte, im Dunkeln die Gegenstände zu identifizieren, die auf dem Tisch in der Mitte des Zimmers lagen oder standen. Bei den Flaschen und Gläsern war dies noch ziemlich einfach, und schnell wusste ich auch, was dieses quaderförmige Ding war, das bedenklich weit über den Rand des Tisches hinausragte, so dass man den Eindruck gewann, dass es eigentlich abstürzen müsste und nur deshalb liegen blieb, weil es irgendwie angeklebt war. Es war nichts anderes als der Roman von Andreas Steinhöfel, den ich immer noch nicht gelesen hatte. Stattdessen hatte ihn Kevin sich geliehen und inzwischen komplett durchgelesen. Als er heute kurz vor dem Abendessen damit fertig gewesen war, hatte er ihn von seinem Bett aus mit einem gezielten Wurf auf den Tisch befördert. Das Buch war noch einen knappen halben Meter über die Tischplatte geschlittert und dann gerade noch rechtzeitig zum Stillstand gekommen, um dort auch liegen zu bleiben.

»Solltest du auch endlich lesen. Ist wirklich gut!« hatte er gesagt, doch im Moment stand mir der Sinn am allerwenigsten nach schwuler Literatur. Das hätte mich nur an Daniel erinnert.

Als sich schließlich herausgestellt hatte, dass die Silhouetten der Gegenstände auf dem Tisch mir keine wirklichen Rätsel aufgaben, fiel mein Blick auf ein unförmiges Etwas, das auf dem Boden neben dem Kopfende von Kevins Bett lag. Es sah aus wie ein kleines Tier, das sich ängstlich zusammengekauert hatte. Genauso gut hätte es aber auch nur eines von Kevins T-Shirts sein können, das er zerknüllt auf dem Teppich liegen lassen hatte. Das Sweatshirt, das er eben ausgezogen hatte, war es jedenfalls nicht. Ich erinnerte mich genau, dass er dies wieder in den Schrank gelegt hatte. Was dieses Ding auf dem Boden nun wirklich war, blieb ein scheinbar unlösbares Rätsel. Da ich das Licht um keinen Preis wieder einschalten wollte, blieb nur eine Möglichkeit, um meine Neugier zu befriedigen. Ich musste den Entschluss über den Haufen werfen, die zwei Quadratmeter meiner Matratze an diesem Tag nicht mehr zu verlassen. Ärgerlich über meinen Wankelmut rollte ich mich aus dem Bett und robbte auf allen Vieren im Dunkeln auf das Objekt zu. Es entpuppte sich als simple Plastiktüte. Eigentlich hätte ich jetzt enttäuscht sein müssen. Fast hatte ich ja gehofft, dort etwas Flauschiges, Lebendiges vorzufinden. Etwas, das man streicheln und lieb haben konnte. Eine Plastiktüte war es nun wirklich nicht wert, dass ich dafür extra aus dem Bett gekrochen war. Ich war aber nicht wirklich enttäuscht, weil ich sofort wusste, dass die Tüte etwas enthielt, was in den bisher so erbärmlich verlaufenen Abend zumindest etwas Abwechslung bringen würde, wenn ich auch nicht erwartete, dass sich dadurch meine Stimmung irgendwie bessern würde.

Als wir zwei Tage zuvor im Ort nach einem Geburtstagsgeschenk für Nadine gesucht hatten, war Kevin in einer Nebenstraße auf dieses merkwürdige Geschäft gestoßen. 'Army-Shop' hatte mit billigen selbstklebenden Buchstaben auf dem Schaufenster gestanden. Ich weiß nicht mehr, wie wir dann auf die Idee gekommen waren, dort hineinzugehen. Dass wir in diesem Laden kein Geschenk für Nadine finden würden, war wohl klar. Auch die Armeeklamotten, unter denen sich der eine oder andere Parka mit Kapuze befunden hatte, waren nicht der Grund gewesen. Solche Dinger hatten mir noch nie besonders gefallen. Wahrscheinlich lag es einfach daran, dass weder Kevin noch ich einen solchen Laden in einem gepflegten Kurort erwartet hatten. Wir konnten uns wohl beide nicht vorstellen, dass dort überhaupt jemand einkaufte. Der Laden hätte mit Sicherheit viel besser in ein heruntergekommenes Großstadtviertel gepasst. Innen sah das Geschäft dann auch eher wie eine Rumpelkammer aus und der Typ hinter dem Tresen machte nicht gerade einen Vertrauen erweckenden Eindruck. Naja, jedenfalls stammte die Tüte von dort. Sie enthielt ein Päckchen mit Lightsticks. Das waren etwa 30 Zentimeter lange, mit einer chemischen Flüssigkeit gefüllte Stäbe, die anfingen zu leuchten, wenn man sie knickte. Aus irgendeinem Grund hatten Kevin diese Dinger so sehr fasziniert, dass wir den Laden mit einem Zehnerpack verlassen hatten, obwohl es die Stäbe auch einzeln gegeben hätte. Wenigstens hatten wir so die Auswahl aus fünf verschiedenen Farben. Nachts hatten wir dann einen dieser Lightsticks ausprobiert, doch Kevin hatte schnell das Interesse daran verloren. Seitdem lagen die restlichen neun unbeachtet in der Plastiktüte herum.

Nun nahm ich sie dort heraus, krabbelte mit ihnen quer durch den Raum zur Zimmertüre hinüber und tastete im Dunkeln nach meinen Schuhen, die ich dort irgendwo vermutete. Naja, sie standen dann doch nicht da, wo ich sie hingestellt zu haben glaubte, aber mein gut entwickelter Tastsinn half mir dabei, mein schlechtes Erinnerungsvermögen zu kompensieren. Als ich sie endlich zwischen den Fingern hatte, schlüpfte ich hinein und band die Schnürsenkel zu, was zu meiner Überraschung gar nicht so einfach war, wenn man nichts sah. Dann griff ich an der Garderobe wahllos nach einer Jacke, erwischte mehr oder weniger unabsichtlich Kevins Snowboardanorak und streifte ihn über. Anschließend ging es zurück zur anderen Seite des Raumes, wo ich den Vorhang aufzog und die Tür zum Balkon öffnete. Nacheinander brachte ich die Lightsticks nun zum Leuchten. Ich klemmte sie wahllos und ohne auf die Farben zu achten in unregelmäßigen Abständen zwischen die Metallstäbe des Balkongeländers. Sie mussten von unten eben gut zu sehen sein. Nur das war wichtig. So würden sie sicher jedem auffallen, der auch nur einen kurzen Blick herauf warf. Ich erwartete allerdings nicht, dass sich um diese Tageszeit auch nur eine einzige Menschenseele dort draußen herumtrieb. Somit würde ich wohl der einzige sein, der überhaupt etwas von dieser Aktion bemerkte.

Als ich schließlich fertig war, schloss ich die Balkontür wieder und verließ das Zimmer. Unbemerkt gelangte ich über das Treppenhaus am Übergang zwischen den beiden Gebäudeflügeln hinunter in den Keller und von dort durch den Gang zum Ausgang an der Rückseite der Klinik. Natürlich hätte ich es einfacher haben und das Gebäude durch den Haupteingang verlassen können. Dann wäre ich sofort auf der richtigen Seite des Bauwerks gelandet. Da ich aber unterwegs niemandem begegnen wollte, zog ich den längeren Weg vor. Ich musste mich ja nicht beeilen. Die Stäbe würden mehrere Stunden lang leuchten.

Im Freien angelangt atmete ich erst einmal tief die Nachtluft ein. Hinter mir fiel die Türe mit einem leisen Klacken ins Schloss. Dann war es still. Nur das monotone Surren der Heizungsanlage drang fast unhörbar durch irgendein Lüftungsgitter aus dem Inneren des Gebäudes nach draußen. Ich richtete meinen Blick nach oben und betrachtete eine Weile den sternenklaren Himmel. Hätten mir meine Probleme angesichts der unglaublichen Weite des Universums nicht sofort ganz klein und unbedeutend erscheinen müssen? Warum passierte das nicht? Nicht meine Probleme wurden klein und unbedeutend, ich selbst kam mir klein und unbedeutend vor. Verdammt klein und unbedeutend. Ich durfte mir gar nicht vorstellen, wie weit entfernt schon der naheste dieser Sterne war, um mir nicht völlig einsam und verlassen vorzukommen. Faszinierend fand ich diese Ansammlung von Milliarden kleiner Lichter aber trotzdem irgendwie. Ob es da draußen im All wohl noch anderes Leben gab? Vielleicht umkreiste einen dieser Sterne ja ein Planet, auf dem kleine grüne Männchen herumliefen, die mit ihrem Dasein besser zurande kamen als wir hier unten.

Als ich leicht zu frösteln begann, fädelte ich den Reißverschluss von Kevins Jacke ein und schloss ihn bis hoch übers Kinn. Durch das Fleecefutter auf der Innenseite war die Jacke um den Hals herum schön kuschelig. Die Kapuze wollte ich mir für später aufheben. Wenn ich erst einmal kalte Ohren hatte, würde sie doppelt angenehm sein.

Ich bog nach links auf den schmalen gepflasterten Weg ein, der rund um den gesamten Gebäudekomplex führte. Das Geräusch meiner Schritte auf dem Pflaster durchbrach unangenehm die Stille, so dass ich es bald vorzog, abseits des Weges über die aufgeweichte Erde weiterzugehen. Ludwig würde dadurch im Frühjahr vielleicht an der einen oder anderen Stelle den Rasen neu ansäen müssen. Im Moment kümmerte mich das allerdings herzlich wenig. Außerdem war das nun mal sein Job als Hausmeister.

Als ich die andere Seite der Klinik erreicht hatte, blickte ich sofort über die Schulter hinauf zu unserem Balkon. Unübersehbar strahlte mir von oben die kunterbunte Leuchtreklame entgegen, die im Gegensatz zu den funkelnden Sternen am Himmel ganz allein mein Werk war. Ich war fast ein wenig stolz und beschloss, mir das Ganze auch noch aus einiger Entfernung anzusehen. Also verzog ich mich in den äußersten Winkel des Klinikgeländes. Irgendeine mitfühlende Seele hatte dafür gesorgt, dass ausgerechnet dort eine Bank stand, umgeben von ein paar Bäumen und Sträuchern, die das Licht der Lampen abhielten, die vor dem anderen Gebäudeflügel den Parkplatz beleuchteten. Ich setzte mich und verschmolz auf diese Weise mit den Schatten. Nun hatte ich die gesamte Front der Klinik gut im Blick, während ich selbst mich vollkommen unbeobachtet fühlen konnte. Enttäuscht musste ich feststellen, dass die Leuchtstäbe aus der großen Entfernung weit weniger spektakulär wirkten, als ich mir das vorgestellt hatte. Hinter vielen Fenstern brannte noch Licht, so dass die bunten Farben vor unserem Balkon gar nicht so sehr zur Geltung kamen. Ein Blick auf meine Armbanduhr brachte mich dann auch zu der Erkenntnis, dass es noch nicht einmal Neun war. Kein Wunder, dass noch so viele Patienten wach waren. Der Abend war noch so lang. Wie sollte ich nur all die Zeit totschlagen? Im Moment stand mir jedenfalls nicht der Sinn danach, die angenehme Dunkelheit zwischen den Büschen wieder zu verlassen. Sie passte einfach zu gut zu meiner melancholischen Stimmung. Also blieb ich einfach sitzen. Ich rutschte in die Mitte der Bank, griff über die Schultern nach der Kapuze und zog sie mir über den Kopf. Nachdem ich die Kordel festgezurrt hatte ließ ich noch meine Hände in den Ärmeln der Jacke verschwinden und kniff die Ärmelöffnungen mit den Fingern zu, so dass die kühle Winterluft auch dort nicht eindringen konnte. Dann breitete ich meine Arme über die Rückenlehne der Bank, legte den Kopf nach hinten und schloss die Augen.

Ich weiß nicht, wie lange ich so dasaß und es genoss, wie die Kälte der ersten Februarnacht über meine Nasenspitze strich, während meine Ohren und Wangen vom kuscheligen Fleecefutter der Kapuze wohlig warm gehalten wurden. Wahrscheinlich wäre ich sogar noch viel länger dort sitzen geblieben, wenn nicht etwas passiert wäre, womit ich nicht gerechnet hatte. Jemand setzte sich neben mich.

Erschrocken riss ich den Kopf nach oben und öffnete die Augen. Zu meinem Erstaunen war es Kevin, der neben mir saß und mich angrinste. Naja, Daniel wäre mir lieber gewesen, aber der war inzwischen wohl weit weg.

»Oh Mann, hast du mich jetzt erschreckt«, japste ich, während mein Puls sich langsam wieder beruhigte.

Kevin grinste immer noch. Sein Blick streifte über meinen Oberkörper, der in seinem Snowboardanorak steckte.

»Ich hab mir deine Jacke ausgeliehen«, reagierte ich. Meine Stimme klang so gelassen, als ob dies das normalste der Welt wäre. »Ist dir doch recht, oder?«

Normalerweise wäre ich jetzt sicher rot geworden und hätte mir verlegen die Kapuze vom Kopf gestreift. In meiner augenblicklichen Stimmung war es mir aber völlig egal, was Kevin dachte und auch sein Schmunzeln machte mir nicht das Geringste aus.

»Wie hast du mich überhaupt hier gefunden?« wollte ich wissen, bevor er irgendetwas erwidern konnte.

»Naja, ich wollte halt mal nach dir sehen. Du warst nicht im Zimmer, meine Jacke war weg, und dann hab ich das da entdeckt.«

Er deutete in Richtung unseres Balkons, wo es immer noch grün, gelb, blau und rot leuchtete.

»Dann konnte ich mir denken, wo du bist. Okay?«

»Okay, Sherlock Holmes«, erwiderte ich trotzig.

Für eine Weile setzte Schweigen ein.

»Willst du noch länger hier sitzen bleiben?« fragte Kevin schließlich.

Ich zuckte mit den Schultern.

»Warum nicht? Ich find's schön hier.«

»Kann ich mir vorstellen, so in meiner warmen Jacke«, feixte er.

Ich versetzte ihm einen sanften Stoß in die Rippengegend, womit ich mir einen Knuff gegen meine Schulter einhandelte.

»Also gut«, fuhr er mit gespielter Verärgerung fort. »Dann geh ich eben alleine wieder rein. Mir wird nämlich langsam kalt.«

Erst jetzt nahm ich richtig wahr, dass Kevin nur in seinem Wollpullover neben mir saß. Der war zwar ziemlich dick, aber als Schutz gegen die Kälte taugte er dann doch nicht für längere Zeit.

»Du hättest dir ja meine Daunenjacke nehmen können«, entgegnete ich.

»Hey, ich wollte nur kurz nach dir sehen und nicht hier draußen übernachten.«

Kevin hatte sich schon ein paar Meter von mir entfernt, als ich mich schließlich doch noch aufrappelte.

»Warte, ich komm mit«, rief ich ihm nach.

Er verlangsamte seine Schritte bis ich zu ihm aufgeschlossen hatte. Dann liefen wir gemeinsam zurück in Richtung Haupteingang.

»Wie läuft überhaupt der Abend mit den anderen so?« wollte ich wissen, während ich neben Kevin dahintrottete. Der fing langsam an vor Kälte mit den Zähnen zu klappern und schlang seine Arme schützend um den Oberkörper.

»Ach vergiss es. Thomas ist mit Armin vor 'ner halben Stunde in den Keller verschwunden, Billard spielen und so. Und die Weiber aus der anderen Gruppe kannste echt vergessen.«

»Ich dachte, die eine gefällt dir ganz gut?«

»Naja, dachte ich zuerst auch. Aber so toll ist die nicht. Aussehen ist eben nicht alles.«

»Und? Was machen wir dann jetzt?«

»Zu Thomas und Armin?«

»Okay.«

Ich lieferte nur noch schnell Kevins Jacke in unserem Zimmer ab, dann ging es ab an den Billardtisch. Der Rest des Abends wurde dann doch noch ganz erträglich. Ich entwickelte zwar absolut kein Gefühl für die Kugeln und verschoss mehr Bälle als Armin, der irgendwie so gar kein Talent für dieses Spiel zu haben schien. Wenigstens amüsierten sich Kevin und Thomas prächtig über unsere Versuche, die Kugeln in den Taschen verschwinden zu lassen oder zumindest die Weiße so zu treffen, dass sie nicht vom Tisch sprang. Nebenbei lernte ich Armin näher kennen. Seine Probleme unterschieden sich gar nicht so sehr von meinen eigenen. Zumindest konnte ich mich ansatzweise in ihnen wieder finden. Zuerst hatte ihn seine Freundin verlassen, dann hatte er mehrere Prüfungen versiebt. Danach war sein Selbstvertrauen völlig am Boden gewesen. Seit Wochen litt er an Depressionen und hatte eine Heidenangst vor den Wiederholungsprüfungen. Er war sich absolut sicher, dass er diese ohne starke Beruhigungsmittel niemals durchstehen würde. Wir kamen ganz gut miteinander ins Gespräch. Naja, im Gegensatz zu Kevin und Thomas standen wir ja sowieso meistens nur untätig um den Tisch herum. Die Zeit verging und ich kam überhaupt nicht mehr dazu, Daniel nachzutrauern. Erst nach Mitternacht verschwanden wir auf unseren Zimmern.

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