Kapitel 19 - Achtzehn Am Montag standen dann in unserer freien Zeit die Vorbereitungen für Nadines achtzehnten Geburtstag auf dem Programm. Gudrun hatte schon in weiser Voraussicht die Diatlehrküche für uns reserviert. Schließlich brauchte man für so eine Festlichkeit auch eine Torte. In erster Linie war die Lehrküche ja für Patienten mit Essstörungen gedacht. So sollten zum Beispiel die übergewichtigen Patienten hier lernen, wie man sich gesund ernährte. Wenn gerade keine Veranstaltungen stattfanden, konnte sich aber trotzdem jeder in der Küche betätigten, der dazu Lust hatte. Man musste sich nur rechtzeitig in eine Liste eintragen. Während Christina dafür sorgte, dass Nadine von unserer Aktion nichts bemerkte, machten Gudrun und wir Jungs uns daran, zuerst einmal die Zutaten abzuwiegen. Naja, eigentlich leisteten wir Gudrun bei dieser Arbeit nur Gesellschaft. Backen war irgendwie nicht unsere Stärke. Dabei wollten wir ja wirklich helfen. Für Gudrun schienen wir das mit dem Abwiegen nur nicht genau genug zu machen. War es denn wirklich so wichtig, ob da jetzt ein paar Gramm Zucker mehr oder weniger in den Teig kamen? Jedenfalls bekamen wir schnell ihre resolute Art zu spüren, indem sie uns überzeugend klarmachte, dass wir uns entweder genau an das Rezept halten oder ihr besser möglichst weit aus dem Weg gehen und von nun an nichts mehr anfassen sollten. Naja, um den Teig dann gut durchzurühren und die Backform mit Fett auszustreichen, waren wir dann doch wieder gut genug. Nachdem der Kuchen schließlich fertig gebacken und eine Weile abgekühlt war, durften wir ihn sogar ganz ohne Gudruns Aufsicht mit geschmolzener Schokolade bestreichen. Ich fragte mich schnell, ob die Idee, uns bei dieser Arbeit alleine zu lassen, besonders gut gewesen war, denn Kevin fand das mit dem Anpinseln irgendwie zu umständlich. Er goss die Schokolade lieber direkt auf die Torte und kümmerte sich nicht im Geringsten darum, dass ich die flüssige Masse überhaupt nicht so schnell verteilen konnte. Mindestens ein Drittel lief an den Seiten hinunter und bildete auf der Arbeitsplatte mehrere braune Pfützen. Thomas leckte sofort alles gierig auf und amüsierte sich ansonsten prächtig darüber, was Kevin und ich da fabrizierten. Seine Aktion vom letzten Abend schien er längst abgehakt zu haben. Heute Morgen beim Frühstück hatte er sich noch einmal bei uns allen kleinlaut dafür entschuldigt und hoch und heilig versprochen, dass sich so etwas nicht wiederholen würde. Denn dass das ganze eine ziemliche Schnapsidee gewesen war, hatte er inzwischen längst eingesehen. Seitdem schien die Welt für ihn jedenfalls wieder in Ordnung zu sein. Nur mit Stefan hatte sich noch nicht wieder alles eingerenkt. Ob die beiden sich auch am kommenden Wochenende wieder sehen würden, war noch nicht ganz klar. Ich hatte fast den Eindruck, dass Stefan sich mit Thomas im Moment ein wenig überfordert fühlte. Eine ernstere Krise schienen die beiden aber nicht zu haben. Irgendwann war die Torte dann doch einigermaßen gleichmäßig mit Schokolade bedeckt. Naja, wir hatten ja auch genug von dem Zeug eingeschmolzen. An den Seiten schaute zwar noch hier und da der Teig heraus, dafür war die Schicht aber an den Stellen umso dicker, an denen die Masse vorhin hinunter gelaufen war. Zum Schluss formten wir in der Mitte der Torte aus bunten Smarties noch hastig eine große 18 und natürlich durften auch 18 Kerzen nicht fehlen. Die wollten zwar nicht so recht stehen bleiben, weil der Schokoguss inzwischen an den meisten Stellen ziemlich fest war. Trotzdem fand ich, dass wir das Ganze recht passabel hinbekommen hatten. Na gut, die Gesellenprüfung für Konditoren würden wir damit sicher nicht bestehen. Wahrscheinlich hätte man uns in jeder besseren Konditorei sogar vor die Tür gesetzt, wenn wir mit dem Ding dort aufgekreuzt wären und nach einer Lehrstelle gefragt hätten. Ich war trotzdem der Meinung, dass unser Werk ziemlich lecker aussah. Am nächsten Tag war es dann soweit. Schon am frühen Morgen versammelten wir uns vor Nadines und Christinas Zimmer, mit der Torte und unseren Geschenken in den Händen. Christina hatte sich bereits aus dem Zimmer geschlichen und stand mit uns zusammen vor der Tür, als wir begannen 'Happy Birthday to you' zu singen. »Ach, ihr seid echt lieb«, sagte Nadine strahlend, als sie die Türe öffnete. Wir ließen sie die Kerzen auf der Torte auspusten und reichten ihr dann die Geschenke. »Och, is der aber niedlich«, stieß sie freudig aus, als sie unseren Teddybär an sich drückte. Richtig zum Feiern kamen wir dann aber erst am Abend. Dafür hätten wir aber auch die ganze Nacht durchgefeiert, wenn uns die Nachtwache nicht irgendwann höflich aber bestimmt aus dem Raum vor der Dachterrasse vertrieben und auf unsere Zimmer geschickt hätte.
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