Epilog Ich stand mitten im Zimmer und ließ meinen Blick über die karge Einrichtung schweifen. Psychiatrische Kliniken boten meist nur wenig Annehmlichkeiten und Komfort. Auch dieses Gebäude, das sich auf dem weitläufigen Gelände eines Bezirkskrankenhauses befand, machte einen trostlosen Eindruck. An diese Tristesse würde ich mich aber wohl gewöhnen müssen. Der graue Bodenbelag aus PVC war abgetreten, die Wände gehörten dringend neu gestrichen und die Schränke wiesen etliche Dellen und Kratzer auf. Es schien ein geradezu übermächtiger Sparzwang zu herrschen, denn meiner Meinung nach hätte man hier im Wohnheim für das Pflegepersonal schon vor mindestens zehn Jahren mal gründlich renovieren sollen. Wenn ich ein paar bunte Poster aufhängte und die Einrichtung mit einigen persönlichen Gegenständen ergänzte, würde ich es hier für die Dauer meines Zivildienstes aber sicher aushalten. Es war ohnehin fraglich, ob ich in diesem Zimmer viel Zeit verbringen würde. Vom Flur aus drangen Geräusche durch die offenstehende Korridortür herein. Ich hörte Schritte, jemand ächzte und fluchte. Ein paar Augenblicke später tauchten zwei mit Kapuzensweatshirts bekleidete Gestalten in meinem Blickfeld auf. Beide hatten Schweißperlen auf der Stirn und trugen einen großen weißen Kasten zwischen sich. »Mann, kannst du dir vielleicht mal ’nen Flachbildschirm kaufen? Das Ding hier wiegt ja ’ne Tonne!« hörte ich Kevin maulen, als er zusammen mit Enrico meinen 19-Zoll-Röhrenmonitor ins Zimmer trug und neben meinen PC stellte, den ich vorhin ohne große Anstrengung durch das enge Treppenhaus hier herauf in den vierten Stock getragen hatte. Zu blöd, dass der Fahrstuhl gerade defekt war. Alleine wäre ich ganz schön aufgeschmissen gewesen, aber glücklicherweise hatte ich ja zwei Freunde hier in der Stadt, die gerne halfen. Naja, sie hatten ihre Hilfe zumindest gerne angeboten. Inzwischen bereuten sie ihre Gutherzigkeit wohl ein bisschen. »Wenigstens haben wir jetzt alles raufgeschleppt«, berichtete Enrico keuchend. »Der Kofferraum ist endlich leer.« Er ließ sich gleichzeitig mit Kevin auf das alte Sofa fallen, was eine Staubwolke zum Aufwirbeln brachte. »Hab ich dir eigentlich schon erzählt, dass ich vor ein paar Tagen mal wieder eine Mail von Gudrun bekommen habe?«, fragte ich Kevin, während dieser langsam wieder zu Atem kam. »Nein, bisher noch nicht.« »Ich soll dich von ihr grüßen.« »Danke.« »Geht ihr richtig gut, seit sie den neuen Job hat. Endlich mal nette Kollegen.« »Wow! Freut mich für sie.« »Sie hält ja immer noch Kontakt mit Nadine und Christina. Den beiden geht’s wohl auch einigermaßen.« »Von Thomas hast du wohl nichts mehr gehört?« »In letzter Zeit nicht. Mit Stefan hat er ja schon vor Monaten Schluss gemacht. Seit er die eigene Wohnung hat, hab ich ihn nicht mehr erreicht. Hat scheinbar ’ne neue Handynummer. Und von sich aus meldet er sich ja sowieso nicht.« »Wenigstens hältst du immer noch die Verbindung mit den Anderen aufrecht.« »Naja, du hast für sowas ja keine Zeit mehr. Wenn man jede freie Minute mit der Freundin verbringt ...« »Apropos Sara«, warf Kevin mit einem Blick auf seine Armbanduhr ein. »Ich bin in ’ner halben Stunde mit ihr verabredet. Wird Zeit, dass ich abhaue. Ich kann euch beide doch allein lassen?« »Klar«, antworteten Enrico und ich wie aus einem Munde. Schnell war Kevin aufgesprungen. Er warf uns einen kurzen Abschiedsgruß zu und schloss dann die Korridortür hinter sich. Nun waren Enrico und ich allein.
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