Winterregen von Robin (alter Titel: Weirdos)

 

Kapitel 9 - Fetish Fun

Als ich am Dienstagmorgen aufwachte, war es bereits kurz vor Neun. Ich hatte noch einmal fast zwölf Stunden durchgeschlafen. Kevin saß bereits fertig angezogen auf seinem Bett und las ein Buch.

»Morgen, David«, sagte er, als er bemerkte hatte, dass ich aufgewacht war.

»Morgen«, nuschelte ich schlaftrunken.

»Und, wie fühlst du dich?«

»Weiß noch nicht. Jetzt lass mich doch erst mal richtig wach werden!«

Ich fühlte mich tatsächlich ziemlich gut. Bei so viel Schlaf war das aber auch kein Wunder. Erst jetzt realisierte ich richtig, dass wir in dieser Nacht wieder einmal in unseren richtigen Betten geschlafen hatten, nicht mit den Matratzen auf dem Boden.

»Und wie war deine Nacht?« fragte ich Kevin deshalb.

»Naja, ging so.«

Aha, das bedeutete wohl, dass er immer noch lieber neben mir auf dem Boden schlief. Naja, vielleicht nächste Nacht wieder ...

Ich nahm mir wieder viel Zeit für die Dusche. Um im Speisesaal noch ein Frühstück zu bekommen, war es ohnehin schon zu spät. Und richtigen Appetit hatte ich auch noch nicht. Als ich nach einer knappen halben Stunde in T-Shirt und Shorts zurück ins Zimmer kam und meinen Kleiderschrank öffnete, um frische Klamotten herauszunehmen, stellte sich Kevin neben mich.

»Darf ich da mal 'nen Blick reinwerfen?« wollte er wissen.

»Warum?«

»Naja, ich will eben mal sehen, was du so alles dabei hast. So Kapuzensachen halt.«

Musste er jetzt unbedingt wieder dieses Thema zur Sprache bringen? Mir war die Sache von Sonntagnachmittag immer noch peinlich in Erinnerung.

»Wenn du unbedingt willst«, antwortete ich widerwillig.

Ich nahm eine schwarze Jeans aus dem Schrank und trat dann zur Seite, so dass Kevin ungestört meine Klamotten durchwühlen konnte. Er entdeckte sofort den Stapel mit den Kapuzensweatshirts.

»Eins ... zwei ... drei ... vier ...«

Oh Mann, jetzt begann er auch noch die Dinger zu zählen.

»Wow, fünf Stück. Wird Zeit, dass du mal wieder eins davon anziehst.«

»Kevin, lass das doch.«

»Hey, kann's sein, dass du in der Hinsicht ziemlich verklemmt bist?«

Ich blickte verschämt zu Boden.

»Naja, seitdem ihr beide Bescheid wisst, Thomas und du, ist mir das eben irgendwie unangenehm, die Teile anzuziehen. Ich meine, ihr wisst ja jetzt, was ich dabei so empfinde.«

Kevin nahm eines der Kapuzenshirts aus dem Stapel.

»Der rote Pulli hier passt doch gut zu der schwarzen Hose. Warum ziehst du den heute nicht an?«

Widerstrebend nahm ich den Kapuzenpulli entgegen und setzte mich auf mein Bett, um in meine Jeans zu schlüpfen. Wurde auch Zeit, denn die Beule in meiner Unterhose war langsam nicht mehr zu übersehen. Irgendwie fand ich es ziemlich erregend, was sich hier gerade abspielte. Kevin durchstöberte währenddessen weiter meinen Kleiderschrank.

»Hey, 'ne zweite Jacke hast du ja auch noch dabei. Ah, auch mit 'ner Kapuze im Kragen.«

»Jetzt mach endlich den Schrank zu, Kevin!«

»Is ja gut, bin ja schon fertig.«

Nachdem er die Schranktüre geschlossen hatte, blickte Kevin zu mir herüber. Ich hatte inzwischen das Sweatshirt angezogen. Die Kapuze war beim Anziehen wie üblich auf meinem Kopf gelandet. Also entschloss ich mich, sie einfach mal aufzubehalten. Ich zog ein wenig die Kordel fest und blieb so auf meinem Bett sitzen.

»Na, haste jetzt 'ne Latte?« fragte Kevin grinsend.

»Kevin!«

»Hey, muss dir doch nicht peinlich sein.«

War es aber! Es war schließlich nicht normal, schon beim Gedanken daran, gleich in ein Kapuzensweatshirt zu schlüpfen, eine Erektion zu bekommen.

»Ich lass dich mal 'ne Weile alleine, okay? Bin unten in der Halle.«

Am Grinsen in Kevins Gesicht war deutlich zu erkennen, wofür er mir ein wenig Privatsphäre gönnen wollte. Trotzdem wäre ich ihm dankbar gewesen, wenn er sich eben dieses Grinsen gespart hätte. Aber ein wenig Zeit für mich alleine war jetzt tatsächlich genau das, was ich dringend benötigte. War es eigentlich normal, wenn man sich in seiner Fantasie einen hübschen Jungen vorstellte, der sich gerade die Kapuze seines Sweatshirts über den Kopf zog und sich diese dann ganz fest zuband, während man sich selbst einen runterholte? Oder war das total verrückt? Oder irgendwie pervers?

Als ich eine gute halbe Stunde später unten in der Halle auftauchte, grinste mich Kevin schon von weitem an. Allerdings war das schon irgendwie ein recht verständnisvolles Grinsen, das er da aufgesetzt hatte. Nadine und Christina waren ebenfalls unten und leisteten Kevin Gesellschaft. Ach ja, es war ja Dienstag. Anreisetag. Kein Wunder, dass Nadine sich hier unten aufhielt.

»Na David, geht's dir besser heute?« begrüßte sie mich.

»Ja, fühl mich wieder ziemlich gesund.«

»Prima.«

Sie musterte mich von oben bis unten. Ich nahm an, sie wollte feststellen, ob ich nicht doch vielleicht noch etwas kränklich aussah.

»Schicken Pulli hast du da an«, sagte sie nach einer Weile.

Ich erstarrte. Sofort blickte ich hinüber zu Kevin. Hatte er ihr etwas erzählt? Kevin schien meine Gedanken erraten zu haben, denn er hob sofort abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf. Naja, mit den gelb-schwarzen Logoprints auf der Vorderseite und entlang der Ärmel sah das rote Shirt ja auch wirklich nicht schlecht aus. Ihre Bemerkung war also wohl nur Zufall gewesen.

»Ähm, ja, danke. Mir gefällt er auch ganz gut«, stammelte ich deshalb und hoffte, dass ich gerade nicht allzu dumm aus der Wäsche geguckt hatte.

»Wo sind eigentlich Gudrun und Thomas?« wollte ich dann wissen.

»Gudrun ist den ganzen Vormittag über in irgend so 'ner Veranstaltung. 'Kalorienarmes Kochen' oder so ähnlich. Und Thomas hat sein Einzelgespräch bei der Fröschl.«

»Ah so.«

Ich setzte mich zu den anderen und wir machten es uns gemütlich. Eine Stunde verbrachten wir mit belanglosen Gesprächen und dem Durchblättern von Zeitschriften mit noch belangloseren Inhalten. Irgendwann tauchte dann Thomas in der Halle auf.

»Und? Wie war's bei der Fröschl?« fragte ich ihn.

»Na ja, ging so. Was die alles wissen will! Echt der Hammer! Ich brauch jetzt jedenfalls 'ne Kippe. Kommt ihr mit raus?«

»Weiß nicht, ob das so gut ist. Ganz gesund bin ich ja noch nicht.«

Andererseits schien heute ausnahmsweise mal die Sonne. Und ich hatte ja dieses warme Sweatshirt an. Also folgte ich den anderen nach draußen. Kapuze auf. Zuziehen. Schleife binden. Hände in der Känguruh-Tasche vergraben. So würde ich garantiert nicht frieren.

Während Thomas wieder ein paar Zigaretten hintereinander wegqualmte, schlenderten wir gemächlich über den Klinikparkplatz.

»Wie ist's eigentlich gestern in der Gruppe gelaufen?« wollte ich von Kevin wissen. Bisher hatte ich noch gar nicht daran gedacht, ihn danach zu fragen. Es waren einfach zu viele andere Dinge passiert.

»Ach, ich hab schon so einiges gesagt diesmal. Und die Fröschl war auch ganz nett.«

»Hast du jetzt eigentlich noch mal ein Einzelgespräch bei ihr?«

»Ja, aber erst Donnerstag früh«, antwortete er. »Keine Sorge, diesmal geh ich wirklich hin«, fügte er grinsend hinzu.

»Das will ich dir auch geraten haben, sonst bekommst du gewaltigen Ärger mit mir.«

Wir mussten beide lachen.

Als wir uns der Einmündung zur Straße näherten, bog gerade der weiße VW-Bus der Klinik in die Einfahrt ein. »Hey, da kommen ein paar Neue«, schrie Nadine sofort auf.

Ludwig saß am Steuer. Er entdeckte uns und wir winkten ihm zu. Hoffentlich hatte er ein paar hübsche Jungs mitgebracht. Wir liefen hinter dem VW-Bus her zurück zum Klinikeingang. Ein paar ältere Herrschaften stiegen aus dem Fahrzeug. Keiner der Neuankömmlinge schien unter 50 zu sein. Diesmal musste wohl die ältere Generation an der Reihe sein. Ich war etwas enttäuscht. Wir würden wohl vorerst die einzige Gruppe mit Leuten in unserem Alter bleiben.

Nachdem wir noch eine Zeitlang in der Halle herumgehangen hatten, war es auch schon Zeit für das Mittagessen. Der Rest des Tages wurde dann richtig stressig. Zuerst autogenes Training, dann die Gruppensitzung. Kevin redete dort tatsächlich und auch Thomas erzählte ein paar Dinge über sich. Langsam schien das ja doch ganz gut zu laufen.

So ging wieder ein Tag zu Ende. Die erste Woche hatten wir nun hinter uns. Eigentlich fühlte ich mich in der Klinik inzwischen schon richtig heimisch. Und die schlimmsten Turbulenzen sollten wir wohl auch überstanden haben. Das hoffte ich zumindest.

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